Call for Paper – Crossing lines… – Interdisziplinäre und feldübergreifende Grenzgänge am Beispiel von Jane Addams

Von: https://soziologie.de/call-for-papers/news/crossing-lines-interdisziplinaere-und-felduebergreifende-grenzgaenge-am-beispiel-von-jane-addams

(Deadline: 10. Oktober 2023)

Im Licht der biografischen Rezeption spricht die Literaturwissenschaftlerin Katherine Joslin von Jane Addams (1860-1935) als einer kulturellen ›Ikone‹. Dabei ist ihre ›Zeichenhaftigkeit‹ keineswegs eindeutig: Addams war u.a. Settlement-Pionierin, Sozialarbeiterin, -reformerin und -forscherin, Pragmatistin, öffentliche Intellektuelle, Publizistin, Frauenrechtlerin, Ethikerin, Demokratin, Trägerin des Friedensnobelpreises oder auch Internationalistin. Inzwischen gilt sie als Klassikerin gleich mehrerer Fächer. Vor diesem Hintergrund gibt Louise W. Knight ihrer Lebensbeschreibung den dynamisierenden Titel: ›Jane Addams: Spirit in Action‹ – und, dass es sich lohnen kann, sich erinnernd mit ›spirits in action‹ auseinanderzusetzen, darauf verweist bereits Jane Addams selbst: ›I found that the two functions of Memory – first, its important role in interpreting and appeasing life for the individual, and second its activity as a selective agency in social reorganization – were not mutually exclusive, and at moments seemed to support each other‹.

Die Addams-Rezeption in Deutschland scheint – beispielsweise durch Übersetzungen einzelner Werke – erst langsam an Fahrt aufzunehmen. Eine gezielte Würdigung dieser facettenreichen Person als einer Pionierin von Inter- oder Transdisziplinarität liegt noch nicht vor. Im Zentrum des geplanten Sammelbands steht daher vor allem die Frage nach den ›Grenzgängen‹, den ›zu überschreitenden Linien‹, auf welche Jane Addams auf ihrer kurvenreichen ›long road‹ gestoßen ist. Zumal ›crossing a line‹ auch die Bedeutung hat, sozial nicht akzeptabel zu agieren bzw. gesellschaftliche Normen zu verletzen sowie sie damit u.U. neu zu definieren, kann das Werk Jane Addams› auch unter dem Blickwinkel ihrer Ausgestaltung sozialer Reorganisationsprozesse verschiedenster Art betrachtet werden: Dann geht es u.a. um Schranken des Geschlechts, der Bildung, der Klasse oder der Herkunft, um gesellschaftliche Hürden, um nationalstaatlich politische oder systemisch feldspezifische Schranken, um Scheidelinien professioneller Zuständigkeit oder um Denkstile bzw. Konventionen, mit welchen gebrochen wird.

Zu berücksichtigen ist jedoch der soziale Konstruktionscharakter dieser Grenzen einschließlich seiner Historizität. Entsprechend ‚bunt‹ sind auch die Werdegänge in dieser Phase der Wissenschaftsgeschichte, in der ein Wechsel zwischen den Fakultäten nicht unüblich und das Ideal von Universalgelehrten oder forschenden Praktiker*innen durchaus noch vorstellbar waren. Was rückblickend als gelebte Trans- oder Interdisziplinarität erscheinen mag, musste damals nicht so wahrgenommen werden. Heute stellt sich dies als ein Wunschbild fächerübergreifender Forschung oder gelungenen Wissenstransfers dar – ein Entdifferenzierungsideologem, das die hochgradig ausdifferenzierten Wissenschaften wie Professionen aktuell vor Probleme rund um die Translation ihrer Fachsprachen oder die Popularisierung ihrer Ergebnisse stellt.

Ein Weg zur exemplarischen Erkundung bzw. zur Inspiration für die Bearbeitung aktueller Probleme kann die Rückbesinnung auf historische Persönlichkeiten darstellen, die – wenn auch unter anderen Bedingungen – einen Mehrfachspagat vorgenommen haben. In Jane Addams vereinen sich Engagement für die universitäre Sozialfor-schung und deren Methodologie mit Verdiensten um die Verbesserung der prekären Situation von Frauen, fun-dierte pazifistische Gesellschaftskritik mit Feminismus sowie politisches Theoretisieren mit dem Streben nach sozialer Gerechtigkeit.

Ziel des hier angekündigten forschungsorientierten Sammelbands ist es also, das vielfältige Wirken dieser im deutschen Sprachraum kaum bekannten Forscherin und Aktivistin mit Akzent auf die historisch zu erörternde Frage zu beleuchten, wie damals Inter- bzw. Transdisziplinarität sowie feld- oder professionsübergreifende Zusammenarbeit möglich bzw. welche Strukturmuster der Grenzüberschreitung prägend waren – und welche Rückschlüsse daraus ggf. für die Gegenwart abzuleiten sind.

Zunächst bitten wir um Kurzbeschreibungen möglicher Beiträge im Umfang von ca. 3.000 Zeichen bis zum 30.10.2023 an Prof. Dr. Oliver Dimbath (dimbath(at)uni-koblenz.de) und an Prof. Dr. Nicole Hoffmann (hoff-mann(at)uni-koblenz.de).

Im Anschluss werden die noch in Sondierung befindlichen Publikationsoptionen geklärt, und es wird über den weiteren Zeitplan und die genaueren Konditionen informiert.

Die Einreichung der Artikel ist dann voraussichtlich für Frühjahr 2024 vorgesehen.
Wir freuen uns auf eine Beteiligung aus zahlreichen Disziplinen.


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